new digital

E-Commerce

Text: Vera Schankath • Illustrationen: Sandra Laukart

Wohndesign digital

E-Commerce geht durch die Decke. Vor allem Branchen, die bisher wenig im Internet verkauften, wie Wohn- und Interior-Design, profitieren. new digital stellt Onlinehändler Connox vor und zeigt konsequenten Fokus aufs Onlinegeschäft.

Irgendwann lassen wir Billy, Pax und Klippan hinter uns. Bummeln nicht mehr samstags durch Ikea mit gelben Taschen, die extrariesig sind, damit wir immer mehr kaufen. Mehr Kerzen, mehr Spülbürsten und Servietten.

In der Corona-Pandemie sind wir vor allem zu Hause. Wir richten uns neu ein, dekorieren um, passen Räume an erweiterte Bedürfnisse an. Aber: Stationär einkaufen, um Tische, Regale, Sessel oder Besteck, Vasen und Leuchten zu finden, das geht über Monate des Lockdowns nicht. Zeit haben wir, Geld können wir sonst nicht ausgeben. Es liegt auf der Hand, dass eine Branche durch Corona boomt: Onlinewohnshops.

Gigantische Wachstumsspielräume

Auch nach der Pandemie wird der Möbelbranche im E-Commerce weiteres Wachstum vorausgesagt: Das wird „deutlich über dem liegen, was wir vor der Corona-Krise gewohnt waren“, prognostiziert Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) Wirtschaftsforscher. Gerrit Heinemann, Spezialgebiet E-Commerce, ist ebenfalls überzeugt: „Der Onlinehandel hat sich völlig neue Zielgruppen erschlossen. – auch unter älteren Verbraucherinnen und Verbrauchern.“ Das sei die Basis für weiteres Wachstum in den nächsten Jahren. In Warengruppen, für die Onlinehandel bisher keine große Rolle gespielt habe – wie Möbel und Wohnaccessoires – steige die Nachfrage besonders stark. Heinemann sieht da „noch gigantische Wachstumsspielräume“.

„Der Onlinehandel hat sich völlig neue Zielgruppen erschlossen.“

Einer, der schon vor Corona erfolgreich in diesem Segment war, hört das gern. Connox zählt zu den europäischen Marktführern im E-Commerce für Premiumwohndesign, bietet über 34.000 Artikel an. Das Business boomt: Im ersten Corona-Jahr 2020 hat Connox eine halbe Million Pakete mit über 1,2 Millionen Artikeln verschickt und 150.000 Anfragen von Kundinnen und Kunden bearbeitet. Connox hat 72 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, dafür 1500 Bewerbungen gesichtet und 380 Interviews geführt.

Internet pur

Connox startete als Internet-pure-Player (IPP) im Jahr 2005 und damit noch vor Zalando. IPP vertreiben ihre Produkte ausschließlich im Onlinegeschäft. Aber genauso wie der stationäre Einzelhandel durch Multi-Channel-Marketing seine Waren zunehmend auch im Internet anbietet, versuchen viele IPP im Einzelhandel Fuß zu fassen. Nicht so Connox. „Wir haben der Versuchung widerstanden“, sagt Gründer und Geschäftsführer Thilo Haas. Auch wenn die Konkurrenz meist Ladengeschäfte betreiben, glaubt Haas an die Konzentration auf das eine Geschäftsmodell. Bei Connox bedeutet das, lediglich ab und an einen Lagerverkauf zu organisieren, weitere Pläne gibt es nicht. Dennoch: Das Lager ist ein wesentliches Moment für den Erfolg.

„Wir haben der Versuchung widerstanden“

So groß wie sieben Fußballfelder

2021 baut Connox, weil es immer weiter wächst, ein neues Lager. In der niedersächsischen Gemeinde Laatzen, südlich von Hannover gleich an der Autobahn 7, errichtet Connox auf 50.000 Quadratmetern eine Halle mit 700.000 Kubikmetern Volumen. Bis zu 41 Lastwagen täglich werden von 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ent- und beladen. Bis zu 20.000 Pakete kann Connox jeden Tag versenden.

„Unser Standort Hannover ist für E-Commerce perfekt“, so Haas. Die zentrale Lage macht es möglich 98 Prozent der Ware innerhalb eines Tages auszuliefern. „Wir sind so lieferfähig, weil wir 80 Prozent unseres Angebots selbst im Lager haben.“ Tempo sei der Schlüssel zum Erfolg. Die Kaufentscheidung wolle schnell bedient werden. Connox arbeitet dafür mit verschiedenen Versanddienstleistern, im E-Commerce heißen sie Carrier, zusammen.

Start-up-Techie-Herz

Die Erfolgsgeschichte von Connox beginnt in Burgdorf bei Hannover. Kristian Lenz und Thilo Haas gingen in der 30.000-Seelen-Stadt gemeinsam zur Schule. Im Jahr 2005 auf dem Treffen zum zehnjährigen Abitur kommen sie ins Gespräch. Connox entsteht.

Lenz ist Betriebswirt, aber sein Herz schlägt für die Innenarchitektur. Zu Haas sagt er: „Programmier mir mal ’nen Onlineshop.“ Der tut es. Beide wollen mit ihrem Wissen über Suchmaschinen Kundinnen und Kunden gewinnen. SEO, Search Engine Optimization, ist heute in aller Munde, steckte damals aber in den Kinderschuhen. Die beiden Männer sind Techies, eigentlich keine Händler, sagen sie selbst über sich. Sie denken technologisch – und verstehen das als einen entscheidenden Vorteil im E-Commerce.

Haas und Lenz gemeinsam ist außerdem ihre offensive Hands-on-Haltung. Das erste Lager von Connox entstand inmitten eines hannoverschen Wohnviertels auf 160 Quadratmetern einer ehemaligen Postfiliale. Die beiden Gründer packten die Pakete selbst. Sie starteten mit Accessoires beliebter Marken wie Stelton und Alessi. Es hat dann noch einige Jahre gedauert, bis sie die großen Label im Premiumsegment vom Onlinehandel überzeugen konnten. Mit Vitra kam eine Schlüsselmarke 2011, da war Connox schon sechs Jahre am Markt. Vitra war das Zugpferd für weitere namhafte Marken. Heute arbeiten die meisten Premiumdesigner mit Connox zusammen, und die, „die wir nicht haben, müssen wir auch nicht haben“, sagt Haas selbstbewusst.

Zum großen Player ist Connox sukzessive avanciert. Wesentlich dabei: die konsequente Ausrichtung auf Kundinnen und Kunden anhand verschiedener Customer-Journeys. Es gibt Leute, die wissen, was sie wollen, und kaufen das, zum Beispiel einen bestimmten Designerstuhl. Dann gibt es diejenigen, die suchen einen schönen Stuhl, wissen aber noch nicht, was für einen, die nimmt Connox an die Hand. Und dann gibt es die Dritten, die einfach stöbern und irgendetwas Schönes kaufen wollen. Die spricht Connox zum Beispiel mit seinen Homestorys an. „Aber so krasse Inspiration wie Mitbewerber Westwing machen wir im Premiumsegment nicht“, erklärt Haas. Zunehmend holen sich Konsumentinnen und Konsumenten ihre Ideen für die Einrichtung im Internet: bei Möbelinfluencerinnen und -influencern auf Instagram und Pinterest, mit denen auch Connox kooperiert. Von den sozialen Netzwerken ist der Weg kurz in den Onlineshop.

Um sich auf die dynamischen Bedürfnisse der Klientel auszurichten, muss Connox selbst dynamisch sein. Das Unternehmen ist Vorreiter im Bereich Holokratie, arbeitet seit 2015 in agilen Kreisen. „Unsere crossfunktionalen Teams richten ihre Arbeit an Kundinnen und Kunden aus“, so Haas. „Dabei wollen wir keine Arbeitstiere, die irgendwas abarbeiten, sondern Leute, die Spaß haben.“ Trotz dieser Unternehmenskultur sagt auch Haas: „Personal ist eine Challenge.“ Um weiter zu wachsen, braucht Connox gute Leute – von der Software-Entwicklung bis zur Arbeit im Lager.

Europäische Zukunft

Der europäische Gesamtmarkt für Home and Living liege bei 180 Milliarden Euro, da sei viel Platz zu wachsen, sieht Haas einer spannenden Zukunft entgegen. Connox ist seit jeher stark im deutschsprachigen Wirtschaftsraum. „DACH ist unsere Homebase, da wollen wir Marktführer werden“, sagt er. Zurzeit gibt es den Connox-Shop für die Niederlande, Frankreich, Dänemark, England, Österreich und die Schweiz. Durchaus unterschiedliche Märkte. Connox will dennoch im Sortiment nicht weiter ausdifferenzieren. Und vor allen Dingen Premiumhändler bleiben.

Was dieses Unternehmen tatsächlich ausmacht, das ist das Start-up-Herz seiner Gründer. So sagt Haas: „Ich mag die persönliche Entwicklung, die Connox für mich bedeutet. Mit der Evolution des Unternehmens kann ich wachsen. Das treibt mich an.“ ◾